Bild, das den Brunnenschacht zeigt
Blick in den Brunnenschacht © M. Riemer / DAI

Der Brunnen

Eher zufällig und völlig unerwartet wurde der mehr als 13 Meter tiefe Brunnen der Zitadelle von Karabalgasun entdeckt und seine Ausgrabung stellte sich als großes archäologisches Abenteuer dar. Mit seiner aufwändigen Konstruktion und den zahlreichen gut erhaltenen organischen Nassfunden ist er bislang nahezu einzigartig in dieser Region.

Die Entdeckung des Brunnens

Um die Frage nach dem originalen Laufniveau im Hofbereich der Zitadelle abschließend zu klären, wurde zum Ende der Sommerkampagne ein Grabungsschnitt im Zentrum der Zitadelle angelegt. Dabei zeigte sich jedoch recht bald, dass die teilweise vorhandene Pflasterung des Hofes Lücken aufwies und sich nicht durchgehend fortsetzte. Stattdessen zogen sich Erdschichten in Form einer Grube weiter in die Tiefe und offenbarten uns zunächst die Reste eines vollständigen Vogelskelettes, mehrere Gefäße sowie einige Granitsteinblöcke, das untere Ende der Grube erreichten wir jedoch nicht. Diese Situation führte dazu, dass wir die Grabung auf der Zitadelle entgegen unserer ursprünglichen Planung nicht beenden konnten, sondern in der kommenden Sommerkampagne fortsetzten mussten, um eine Erklärung für die ungewöhnlichen Erdstrukturen zu finden. Auch die darauffolgende Grabungskampagne endete nur wenig zufriedenstellend, setze sich doch die Grube unvermindert weiter in die Tiefe fort. Mittlerweile war die Grabung auch von technischer Seite immer schwieriger geworden. Über Eimerketten wurde das Erdreich langsam nach oben transportiert. Um ausreichende Sicherheit zu gewährleisten und dennoch tiefer graben zu können, musste die Grube in ihrem oberen Bereich immer wieder erweitert werden, um ausreichend Platz zum Arbeiten auch in der Tiefe zu haben. Erst nach über 13 Metern war endlich der gewachsene Boden erreicht und das Geheimnis der Grube gelüftet, wir hatten den Brunnen der Zitadelle von Karabalgasun entdeckt!

Luftbild der Grabung im Zentrum der Zitadelle © M. Riemer / DAI

Die Brunnenkonstruktion

Der Brunnen zieht sich als nahezu senkrechter Schacht mit einem annähernd kreisrunden Durchmesser von etwa drei Metern in die Tiefe und ist ab einer Tiefe von 5,40 m von einer 1,60 x 1,60 m großen rechteckigen Holzkastenstruktur eingefasst, die in den Stampflehm der Zitadelle eingebaut ist.  Diese rechteckige hölzerne Konstruktion sitzt auf einer hexagonalen Steinsetzung aus jeweils sechs quaderförmigen Granitsteinen in gegeneinander verdrehten Lagen, die bereits in den anstehenden Boden aus sandigen Flussschottern unterhalb des Podiums eingetieft ist. Diese insgesamt zwölflagige Steinsetzung wird nach unten von insgesamt fünf massiven Holzpfosten gestützt, in deren Inneren sich als zusätzliches Konstruktionsmerkmal ein rechteckiger hölzerner Kasten befindet, der den eigentlich wasserführenden Brunnenkasten bildet. Dieser Befund stellt damit bislang den ältesten bekannten Bereich der Zitadelle dar.

Die Funde aus dem Brunnen

Verfüllt ist dieser Brunnenschacht mit alternierenden Schichten aus Schutt und Brandschüttungen, in denen sich Ziegelbruch, verbrannte Tierknochen sowie immer wieder auch Reste von Bauschmuck und Architekturelementen befinden. Besonders erwähnenswert sind hier auch Fragmente von „Jadebüchern“, also polierten Steintäfelchen mit chinesischen, golden inkrustierten Schriftzeichen. 

Mit immer größerer Tiefe war während der Grabung ein Zunehmen der Feuchtigkeit feststellbar, in den untersten Schichten schließlich besteht die Verfüllung aus schlammigem Erdreich mit stark anaerobem Charakter. Gerade in diesen unteren Schichten haben sich zahlreiche Funde, v.a. auch organisches Material außerordentlich gut erhalten. Neben mindestens vier nahezu vollständig erhaltenen keramischen Schöpfgefäßen, deren herrscherlicher Bezug durch die Darstellung des Herrschaftszeichens von Moyon Chur, des zweiten Khans von Karabalgasun, deutlich wird, lässt auch die größere Anzahl an Jadebuchfragmenten oder Fragmenten von zwei steinernen Löwendarstellungen die hohe Qualität des Materials erkennen.

Funde aus dem Brunnen im Fundkatalog

Metallfunde

Auch Metallfunde wie ein großes eisernes Schloss mit Vergoldung und eine bronzene Glocke, die bis heute klingt, fanden wir in einem außergewöhnlich guten Erhaltungszustand. Besonders hervorgehoben werden müssen auch gut erhaltene organische Holzreste, bei denen es sich zum einen um Hölzer baukonstruktiver Funktion, aber auch möglicherweise um Reste eines Möbelstückes o.ä. handeln könnte.  Zwei ca. 1,50 m lange Rundhölzer, die mit einem schwarzen Lack mit floralen Motiven versehen sind, sowie weitere lackierte hölzerne Gegenstände stellen aus konservatorischen Gründen eine besondere Herausforderung dar.  Haben sie sich während der 1200 Jahre im Brunnen außerordentlich gut erhalten, waren bereits kurz nach der Bergung erste Schäden feststellbar. In enger Kooperation mit mongolischen und japanischen Kollegen konnte über mehrere Jahre hinweg die Restaurierung dieser Hölzer vollzogen werden. Insgesamt stellt der Brunnen von Karabalgasun sowohl aufgrund seiner Konstruktion als auch aufgrund des besonderen Fundmaterials eine außergewöhnliche Entdeckung dar.

Beschreibung

Ein vergoldetes Schloss von enormer Größe, das im Brunnen der Zitadelle von Karabalgasun gefunden wurde. Das Schloss besteht aus geschmiedetem Eisen, das flächig vergoldet war.